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Warum ich (k)eine gute Mutter bin

Was viele berufstätige Mütter kennen? Ein schlechtes Gewissen. Genau so geht es auch Indre Zetzsche. Nur rührt das nicht daher, dass sie berufstätig und Mutter ist. Sie hat ein schlechtes Gewissen, weil sie kein schlechtes Gewissen hat.

 

Immer wieder im Fokus: berufstätige Mütter

Das Thema Mütter und Karriere hat Hochkonjunktur. In den letzten Monaten hab ich gefühlt in jedem Magazin einen Beitrag dazu gelesen. Mal waren die richtig gut, mal richtig doof. Aber egal ob richtig gut oder richtig doof: immer, wirklich immer kam irgendwann das
Thema 

schlechtes Gewissen auf.

Mütter und Beruf – das geht offenbar nicht ohne. Mütter und Karriere erst recht nicht. Aber muss das wirklich so sein? Ja, auch ich kenne diese Gefühle – und doch rühren sie nicht etwa daher, dass ich berufstätig und Mutter bin. Nein! Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich kein schlechtes Gewissen habe.

Ist das schlechte Gewissen einer berufstätigen Mutter vorprogrammiert?

„Wenn du berufstätig und eine gute Mutter sein willst“, zischt eine innere Stimme in mir, „dann musst du ein schlechtes Gewissen haben.“„Das heißt also im Umkehrschluss“, fragte eine andere innere Stimme, „eine Mutter, die sich an ihrem beruflichen Erfolg und ihren Kindern freut, so ganz ohne innere Zerrissenheit zwischen kindlichen Bedürfnissen und beruflichen Anforderungen, Mutterliebe und Karrierewille – das kann keine gute Mutter sein?“ „So ist es!“ sagte die erste Stimme, „wer berufstätig sein will, muss leiden.“

„Warum?“ erwiderte Stimme Nummer Zwei trotzig. „Darum!“ beendet die andere Stimme die Debatte und ich beschließe, meinen inneren Disput lieber mit mir selbst auszufechten.

Warum ich kein schlechtes Gewissen habe

Warum habe ich eigentlich kein schlechtes Gewissen, frage ich mich. Es heißt, man habe dann kein schlechtes Gewissen, wenn man nach seinem Gewissen handelt. Offenbar bin ich also im Reinen mit meiner Entscheidung, Kinder zu haben und trotzdem Karriere zu machen. Und ja, ich will nicht einfach nur berufstätig sein. Ich will in meinem Beruf weiterkommen, neue, verantwortungsvollere Aufgaben übernehmen und immer wieder an meine Grenzen kommen, sie ausloten, überwinden und daran wachsen. Das finde ich spannend, und es befriedigt mich – ebenso wie auch die finanzielle Unabhängigkeit. Ich weiß: Niemand bringt einen so sehr an seine Grenzen wie Kinder, und keine Aufgabe könnte verantwortungsvoller sein, als hilfebedürftige kleine Menschen auf dem Weg in die Selbstständigkeit zu begleiten.

Bei meinem Sohn ist das geglückt – er hat einen guten, übrigens leidenschaftlich berufstätigen Vater und mich – und nicht zu vergessen, großartige Erzieherinnen und Erzieher; bei meiner Tochter wird uns hoffentlich genauso glücken – für die ich, ihr Vater und diese tollen Erzieher ebenso da sind. Und doch muss ich sagen: Ich finde diese Arbeit weniger spannend und sie erfüllt mich – das weiß ich nach zweieinhalb Jahren Vollzeitmutter – einfach nicht. Bin ich deswegen eine schlechte Mutter? Vielleicht. Wenn eine gute Mutter zu sein bedeutet, dass mich das Auf- und Erziehen meiner Kinder er- und ausfüllen müsste. Aber muss es das?

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Ja, meine Kinder haben mich sicherlich manches Mal vermisst oder vermissen mich auch jetzt noch. Vielleicht hätten sie mich auch manchmal gebraucht und ich war nicht da oder aber, ich konnte mich nach einem intensiven Arbeitstag nicht auf sie einlassen, war kurz angebunden, unzugänglich und/oder schlecht gelaunt. Das weiß ich, und das tut mir leid. Aber was hätten meine Kinder von einer dauerhaft unzufriedenen, schlecht gelaunten Mutter? Ich bin vielleicht nicht perfekt, aber ich bin auch nicht alleine. Gerade in diesen Momenten war und bin ich heilfroh und dankbar, dass beide einen fürsorglichen Vater haben, der sich – wie ich – für Kinder und Karriere entschieden hat.

Zusammen zeigen wir unseren Kindern, dass sich Beruf. Karriere und Kinder nicht ausschließen,  dass Frau ebenso wie Mann auch einfach riesigen Spaß an der Arbeitswelt und am beruflichen Weiterkommen haben – und dabei trotzdem gute Eltern sein können. Denn auch das ist für Töchter wie für Söhne eine sehr wichtige Erfahrung.

Ich bin mir sicher: Erst wenn das selbstverständlich ist, wird die gläsernen Decke zerspringen, eine gleiche Bezahlung kein Thema, sondern eine Tatsache sein und gut ausgebildete Frauen und Männer (wieder mehr) Lust auf Kinder haben.

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